„Von der Verschiedenheit lernen“

Von Redaktion · · 2007/09

Seit 1. März hat das Landespolizeikommando Wien mit Oberstleutnant Friedrich Kovar einen Koordinator für Menschenrechtsangelegenheiten. Gabriele Müller sprach mit ihm über seine neuen Aufgaben und den Umgang der Polizei mit Menschenrechten.

Südwind: Worin bestehen Ihre Kompetenzen als Menschenrechtskoordinator?
Kovar:
Ich habe weder Kontrollfunktion noch Disziplinierungskompetenz. Ich schaue, wie die einzelnen Organisationseinheiten vor dem Hintergrund der Menschenrechte ihre Aufgaben erledigen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Ich halte Kontakt zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und nehme ihre Anregungen und Wünsche entgegen.

Was haben Sie gegen das Wort „Kontrolle“?
Ich möchte meine Position nicht als Kontrollfunktion verstanden wissen, weil es in den einzelnen Landespolizeikommandos bereits Einheiten dafür gibt. Etwa das Büro für besondere Ermittlungen oder das im Innenministerium angesiedelte Büro für interne Angelegenheiten, das strafrechtliche Vorwürfe gegen Beamte prüft. Es gibt eine Beschwerdestelle und den Menschenrechtsbeirat, mit dem ich sehr engen Kontakt habe.

Auf welche Mängel sind Sie bisher gestoßen?
Viele unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wünschen sich mehr Information über Menschenrechte. Vor allem Führungskräfte brauchen Argumentationshilfen: Wie kommuniziert man Menschenrechte nach außen und nach innen.

Menschenrechtsorganisationen werfen der österreichischen Polizei strukturelle Gewalt vor.
Strukturelle Gewalt in der Polizei gibt es sicher nicht. Evident ist, dass wir Mitarbeiter haben, die Übergriffe tätigen. Da stellt sich tatsächlich die Frage, ob es nicht in der Struktur Katalysatoren gibt, die anfällige Mitarbeiter oder Mitarbeiter in Ausnahmesituationen zu Übergriffen animieren. Vorgesetzte haben, wenn die kleinste Gefahr besteht, sofort tätig zu werden. Wir arbeiten daran, eine Kultur des Fehlermanagements einzuführen, wo es möglich ist, Fehler zuzugeben, ohne dass sofort die Existenz bedroht ist.

Kritisiert werden die mangelnden Konsequenzen. So sind die drei Beamten, die Bakary Jassey nach seiner gescheiterten Abschiebung im Vorjahr gefoltert haben, weiter im Dienst.
Es ist eine Kulturfrage, wie wir mit Fehlern umgehen. Gewisse Fehler dürfen unter keinen Umständen akzeptiert werden, hier muss es Sanktionen geben. Auch ein Arzt darf sich nicht im Patienten irren oder den rechten statt des linken Fußes operieren. Es steht mir nicht zu, Fälle zu bewerten, wo es möglicherweise nicht zu entsprechenden Konsequenzen gekommen ist. Als Koordinator für Menschenrechte kann ich nur fordern, dass es wirkliche Sanktionen gibt, die für die Öffentlichkeit und den internen Betrieb Signalwirkung haben. Die genannten Beamten sind aber suspendiert.

Wie wird die neue Stelle von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgenommen?
Man kann sich nicht erhoffen, dass sich durch die Einsetzung eines Menschenrechtskoordinators die Dinge schlagartig verbessern. Wer sich im „Change-Management“ auskennt, weiß, dass diese Prozesse auf Jahre ausgerichtet sind.

Worin besteht die Zusammenarbeit mit NGOs?
Zuallererst darin, dass Kritik an mich direkt gerichtet wird. Wir pflegen engen Kontakt und diskutieren Probleme vorab miteinander. Es gibt jetzt mehr Projekte der Polizei mit NGOs, vor allem mit der Caritas und im Bereich Migration. Es ist wichtig, dass die NGOs einen Ansprechpartner haben und wissen, wie diese Person agiert, welche persönliche Einstellung sie hat. Gemeinsam werden wir für die Menschen und die Gesellschaft sehr viel erreichen.

Das Verhältnis zwischen Polizei und Österreichs schwarzer Bevölkerung ist angespannt. Was soll zur Verbesserung geschehen?
Es gibt das Projekt fair&sensibel, das gut läuft. Die subjektive Betroffenheit von Schwarzen, gerade in Bezug auf Suchtgifthandel, Asyl- und Fremdenrecht, ist natürlich problematisch. Schwarze fallen im „normalen“ Straßenbild immer noch auf. Für sie ist es schlimm, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind und kontrolliert werden. Früher war das etwa am Westbahnhof so, im Polizeijargon eine Trefferlage. An solchen Orten, wo – wie es so schön heißt – mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen passieren, erfolgen verstärkt Identitätsfeststellungen. Wir dürfen auch nicht wegdiskutieren, dass Suchtgifthandel auch durch Schwarze betrieben wird. Das ist, bei aller Mitmenschlichkeit, ein polizeiliches und gesellschaftliches Faktum.

Wie stehen Sie dazu, Menschen mit Migrationshintergrund zur Polizei zu holen?
Das habe ich schon 2005 gefordert, damals noch in meiner Funktion als Beschwerdereferent. Ich bin ein großer Befürworter. Aber man muss auch das Umfeld in der Organisation schaffen. Es ist ja nicht so, dass sich Hunderte mit Migrationshintergrund bewerben würden. „Diversity learning“ ist ein Schlagwort, wo auch die Polizei mitziehen sollte. Von der Verschiedenheit zu lernen, wäre eine absolute Bereicherung für unsere Organisation.

Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wien.

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